Herz in Bewegung
- Jan Stutz, Dr. sc. ETH
- 12. Okt.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Okt.
Warum schlägt das Herz bei Bewegung schneller, und wie hoch darf der Puls dabei steigen?
Wenn wir uns bewegen, bauen die Muskeln vermehrt Fette und Kohlenhydrate ab, und in geringerem Ausmass auch Proteine. Zu Beginn einer Belastung steht zudem Phosphokreatin als sofort verfügbare Energiereserve zur Verfügung. Beim Abbau dieser Verbindungen wird Energie freigesetzt, die für die Bildung von ATP benötigt wird. ATP ist der universelle und unmittelbare Energieträger in den Zellen, und wird zur Kontraktion der Muskelzellen genutzt. So wird die in Nahrung gespeicherte chemische Energie in mechanische Energie (Bewegung) und Wärme umgewandelt. Der vollständige Abbau von Fettsäuren und Glukose benötigt Sauerstoff (siehe Abbildung 1). Kohlenhydrate können zudem auch ohne Sauerstoff in Energie umgewandelt werden. Dieser anaerobe Prozess wird in einem späteren Artikel näher erläutert.

Abbildung 1. Von Kohlenhydraten, Fetten und Sauerstoff zu Bewegung. Adaptiert aus Servier Medical Art und lizenziert unter einer Creative Commons Attribution 3.0 unported-Lizenz.
Sauerstofflieferant Herz
Im Muskel liefert das Protein Myoglobin Sauerstoff, allerdings reicht dieser Speicher nur für wenige Sekunden Bewegung (1). Deshalb muss laufend Sauerstoff nachgeliefert werden. Das geschieht über das Blut, in dem Sauerstoff an das Protein Hämoglobin bindet. Hämoglobin befindet sich in den roten Blutkörperchen, die den Sauerstoff zu den Muskeln transportieren. Die treibende Kraft hinter diesem Transport ist das Herz (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2. Das Herz pumpt sauerstoffreiches Blut zu den Muskeln. Adaptiert aus Servier Medical Art und lizenziert unter einer Creative Commons Attribution 3.0 unported-Lizenz.
Wenn wir uns bewegen, benötigen die Muskeln vermehrt Sauerstoff. Eine Möglichkeit, diesen Mehrbedarf zu decken, wäre, mehr Sauerstoff in derselben Blutmenge zu transportieren. Da das Blut aus der linken Herzhälfte jedoch bereits zu etwa 98–100 % mit Sauerstoff gesättigt ist, lässt sich die Sauerstoffzufuhr nur steigern, indem mehr Blut pro Zeit (Herzzeitvolumen) zu den Muskeln gelangt. Das geschieht hauptsächlich durch eine Erhöhung der Herzfrequenz, teilweise auch durch eine Zunahme des Schlagvolumens, also der Blutmenge, die das Herz pro Schlag auswirft.
Hinweis: Entgegen vielen Werbebotschaften lässt sich die Sauerstoffmenge im Blut unter normalen Bedingungen nicht weiter erhöhen. Die arterielle Sauerstoffsättigung liegt bereits bei rund 98–100 % und bleibt selbst unter intensiver Belastung nahezu unverändert.
Je höher die Belastungsintensität, desto stärker steigt die Herzfrequenz an (siehe Abbildung 3). Das Schlagvolumen nimmt dagegen nur bis zu einer gewissen Intensität zu und bleibt danach weitgehend konstant.

Abbildung 3. Herzfrequenz während Bewegung bei unterschiedlichen Intensitäten. Die Herzfrequenz benötigt rund 2–3 Minuten, um sich auf einem stabilen Niveau einzupendeln. Bei der Trainingssteuerung anhand der Herzfrequenz sollte eine Anpassung der Intensität daher erst nach mindestens 2 Minuten erfolgen.
Die Herzfrequenz kann jedoch nicht unbegrenzt gesteigert werden. Die maximale Herzfrequenz ist individuell unterschiedlich, nimmt mit dem Alter ab und lässt sich durch Training nicht dauerhaft erhöhen oder senken.
Hinweis: Regelmässiges Ausdauertraining führt zu einer tieferen Ruheherzfrequenz, einer niedrigeren Herzfrequenz bei gleicher Belastung und zu einer schnelleren Erholung nach dem Training. Die maximale Herzfrequenz bleibt jedoch weitgehend unverändert. Diese Trainingsanpassungen werden in einem zukünftigen Artikel näher beschrieben.
Wie hoch darf mein Puls beim Training steigen?
Ein gesundes Herz verträgt auch hohe Herzfrequenzen. Vorerkrankungen des Herzens sind jedoch nicht immer von vornherein bekannt. Deshalb ist es besonders wichtig, auf mögliche Warnzeichen zu achten und diese ärztlich abklären zu lassen. Dazu gehören Schmerzen oder ein Druckgefühl in der Brust, im Hals oder in den Armen, Atemnot (insbesondere in Ruhe oder bereits bei leichter Anstrengung), Schwindel oder Ohnmacht, Herzklopfen sowie bekannte Herzgeräusche.
Gewisse Vorerkrankungen, besonders die hypertrophe Kardiomyopathie bei unter 35-Jährigen und koronare Herzkrankheiten bei über 35-Jährigen, können das Risiko eines plötzlichen Herztodes oder eines Herzinfarkts während intensiver Belastung steigern (2). Diese Ereignisse kommen jedoch selten vorn: etwa 1 Todesfall pro 1,5 Millionen Episoden intensiver körperlicher Aktivität bei Männern (3) und 1 Todesfall pro 36,5 Millionen Stunden Sport bei Frauen (4).
Dennoch sollte nicht auf Bewegung verzichtet werden. Regelmässige körperliche Aktivität schützt das Herz, auch bei Patient:innen mit Herzerkrankungen. So zeigen Studien, dass aktive Patient:innen mit koronarer Herzkrankheit ein tieferes Risiko für einen plötzlichen Herztod haben als inaktive Patient:innen (5). Besonders vorsichtig sollten jedoch symptomatische Patient:innen sein. Obwohl die aktive Gruppe insgesamt das niedrigste Risiko aufwies, hatten sehr aktive, symptomatische Patient:innen ein rund siebenfach erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod (siehe Abbildung 4). Über alle Patient:innen mit koronarer Herzkrankheit (symptomatische sowie asymptomatische) hinweg zeigte sich, dass ein moderates Ausmass an Bewegung – etwa zwei- bis viermal pro Woche – mit dem tiefsten Risiko verbunden war (6).

Abbildung 4. Risiko für plötzlichen Herztod in Abhängigkeit vom Aktivitätsniveau. Adaptiert aus Tulppo et al. (5)
Es gibt jedoch keine allgemein anerkannten Grenzwerte, ab denen sich für alle bestimmen liesse, ob eine Belastungsintensität zu hoch ist oder nicht. Die wichtigsten Warnzeichen bleiben die bereits beschriebenen Symptome, die bei Auftreten unbedingt ärztlich abgeklärt werden sollten.
Bei Patient:innen mit koronarer Herzkrankheit kann das Training zum Beispiel anhand des subjektiven Belastungsempfindens gesteuert werden. Es wird empfohlen, dass der grösste Teil der Bewegung bei einer subjektiven Intensität von etwa 5–7 auf einer Skala von 0 bis 10 (entspricht einer mittleren bis etwas anstrengenden Belastung) erfolgt (2). Bei anderen Erkrankungen, insbesondere des Herz-Kreislauf-Systems, lohnt es sich, vor dem Einbau intensiver Trainingseinheiten das Einverständnis der Ärztin oder des Arztes einzuholen. Bei einem gesunden, asymptomatischen Herzen dürfen dagegen auch höhere Intensitäten eingebaut werden.
Hinweise:
Die Funktion des Herzens besteht nicht nur darin, sauerstoffreiches Blut zu den Zellen zu pumpen. Ebenso wichtig sind der Abtransport von Stoffwechselprodukten (die unter anderem für die Regulation der Herzfrequenz entscheidend sind), die Regulation der Körpertemperatur sowie weitere Aufgaben, die hier nicht näher besprochen wurden.
Sofern nicht anders vermerkt, basieren die Aussagen auf dem Buch Physiology of Sport and Exercise (6. Auflage, Human Kinetics).
Dieser Beitrag ersetzt keine medizinische Beratung. Umsetzung der Inhalte auf eigene Verantwortung.
Fazit
Das Herz pumpt sauerstoffreiches Blut zu den Muskelzellen, wo es für den Abbau von Kohlenhydraten und Fetten benötigt wird, um Energie für Bewegung bereitzustellen. Ein gesundes Herz verträgt dabei auch hohe Herzfrequenzen. Bei Vorerkrankungen, insbesondere des Herz-Kreislauf-Systems, lohnt es sich jedoch, vor intensiveren Trainingseinheiten das Einverständnis der Ärztin oder des Arztes einzuholen.
Referenzen
1. Jacquez JA. The physiological role of myoglobin: More than a problem in reaction-diffusion kinetics. Mathematical Biosciences. 1984 Feb 1;68(1):57–97. https://doi.org/10.1016/0025-5564(84)90074-9
2. Lavie CJ, Milani RV, Marks P, de Gruiter H. Exercise and the Heart: Risks, Benefits, and Recommendations for Providing Exercise Prescriptions. Ochsner J. 2001 Oct;3(4):207–13.
3. Albert CM, Mittleman MA, Chae CU, Lee IM, Hennekens CH, Manson JE. Triggering of sudden death from cardiac causes by vigorous exertion. N Engl J Med. 2000 Nov 9;343(19):1355–61. https://doi.org/10.1056/NEJM200011093431902
4. Whang W, Manson JE, Hu FB, Chae CU, Rexrode KM, Willett WC, et al. Physical exertion, exercise, and sudden cardiac death in women. JAMA. 2006 Mar 22;295(12):1399–403. https://doi.org/10.1001/jama.295.12.1399
5. Tulppo MP, Kiviniemi AM, Lahtinen M, Ukkola O, Toukola T, Perkiömäki J, et al. Physical Activity and the Risk for Sudden Cardiac Death in Patients With Coronary Artery Disease. Circulation: Arrhythmia and Electrophysiology. 2020 Jun;13(6):e007908. https://doi.org/10.1161/CIRCEP.119.007908
6. Mons U, Hahmann H, Brenner H. A reverse J-shaped association of leisure time physical activity with prognosis in patients with stable coronary heart disease: evidence from a large cohort with repeated measurements. Heart. 2014 Jul;100(13):1043–9. https://doi.org/10.1136/heartjnl-2013-305242
