Beckenneigung korrigieren
- Jan Stutz, Dr. sc. ETH
- 28. Okt.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 1 Tag
Bei Beschwerden kann eine Korrektur der Beckenstellung sinnvoll sein. Entdecke effektive Übungen mit kurzen Anleitvideos.
Die Beurteilung der Beckenposition und -beweglichkeit spielt in der Physiotherapie eine zentrale Rolle, insbesondere bei Beschwerden im unteren Rücken, in der Hüfte, im Becken oder im Knie (1–6). Denn das Becken verbindet die Wirbelsäule mit den Beinen, und beeinflusst damit entscheidend, wie wir stehen, gehen und unsere Haltung stabilisieren.
Leichte Abweichungen von der neutralen Position des Beckens sind normal. In einer Studie mit gesunden Personen ohne Symptom wiesen beispielsweise 85 % der Männer und 75 % der Frauen ein nach vorn gekipptes Becken (im Durchschnitt 6 bis 7°) vor (7). Eine leichte Beckenvorneigung ist deshalb nicht zwangsläufig problematisch. Studien mit gesunden Personen zeigen eine grosse Variabilität des Beckenwinkels, ohne dass dies mit Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen einhergeht (8).
Trotzdem lassen sich bei Personen mit Beschwerden – etwa im Bereich der Lendenwirbelsäule (Rückenschmerzen), der Hüfte (Hüftimpingement) oder der Leiste (z. B. Leistenschmerz) – häufig Veränderungen in der Beckenposition beobachten (4,9–11). Wahrscheinlich hängt das mit einer übermässigen (mehr als 8°) Beckenvorneigung zusammen (12). In solchen Fällen kann eine Korrektur der Beckenstellung im Rahmen des Trainings oder der Rehabilitation sinnvoll sein (13–15).
Eine Möglichkeit, die Beckenposition zu beeinflussen, besteht darin, den Muskeltonus der Hüftmuskulatur durch gezieltes Kräftigen und Dehnen einzelner Muskelgruppen zu verändern (16,17) (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1. Gezielte Kräftigung/Aktivierung und Dehnung einzelner Muskelgruppen und die postulierte Auswirkung auf die Beckenposition. Adaptiert aus Ludwig et al. (18).
Doch ist auch in der Praxis so? Eine Übersichtsarbeit hat die Studien zum Thema zusammengefasst und kommt zum Schluss, dass ein Krafttraining eine Beckenvorneigung oder die verbundenen Beschwerden nicht zuverlässig verringern kann (12).
Die Forschenden erklären die fehlende Verbesserung damit, dass die Kontrolle der Beckenmuskulatur, und weniger deren Kraft, wichtiger sein könnte, um eine übermässige Beckenvorneigung zu korrigieren (12). Eine Studie stärkt diese Annahme: Kräftigungsübungen, in Verbindung mit Übungen zur Kontrolle der Beckenmuskulatur, waren effektiv, um die Beckenposition zu verbessern (18). Die vorgestellten Übungen orientieren sich daher an dieser Studie.
So geht es – Beckenvorneigung korrigieren
Dosis: 30 Minuten pro Training, 2 × pro Woche über 3 Monate.
Intensität: Die Anstrengung sollte auf einer Skala von 0 bis 10 etwa bei 7 bis 8 liegen.
Übungen: Jede Übung in zwei Durchgängen à 15 Wiederholungen oder 1 Minute Belastungszeit ausführen. Zwischen den Übungen 30–60 Sek. Pause einlegen.
Wichtig: Auf saubere Technik achten – Qualität vor Quantität.
Kräftigen
Plank
Start im Unterarmstütz: Ellbogen schulterbreit unter den Schultern, Körper bildet eine gerade Linie von Kopf bis Fersen. Bauch- und Gesässmuskulatur anspannen, damit der Rücken stabil bleibt.
Einfacher: mit gestreckten Armen (Liegestützposition).
Schwerer: Ellbogen etwas weiter nach vorn schieben oder Beine abwechselnd anheben.
Umgekehrter Plank
Hände hinter dem Körper aufstützen, Beine gestreckt. Hüfte anheben, bis Körper in Linie ist.
Einfacher: mit angewinkelten Beinen.
Schwerer: Beine abwechselnd anheben.
Brücke
In Rückenlage Fersen in den Boden drücken und Hüfte anheben, bis Rumpf und Oberschenkel eine Linie bilden. Langsam absenken.
Einfacher: Füsse näher am Gesäss.
Schwerer: Einbeinig ausführen, das andere Bein gestreckt nach Vorne halten.
Kontrolle
Beckenheben
In Rückenlage Beine anheben, Knie über den Hüften. Bauchmuskeln anspannen und Becken leicht vom Boden lösen. Langsam absenken, ohne Schwung.
Einfacher: Beine gestreckt nach oben.
Schwerer: Beine leicht nach vorne neigen.
Beckenkippung
Liegend: In Rückenlage, Beine aufgestellt. Den unteren Rücken gegen den Boden drücken, indem Bauch- und Gesässmuskeln angespannt werden. Dann lösen und Becken nach vorn kippen, sodass ein leichtes Hohlkreuz entsteht. Bewegung ist klein und kontrolliert.
Stehend: Im aufrechten Stand das Becken langsam nach vorne und hinten kippen, ohne den Oberkörper mitzubewegen.
Cat-Cow (Katzen-Kuh)
Im Vierfüsslerstand: Beim Einatmen Rücken durchhängen (Kuh), beim Ausatmen Wirbelsäule rund machen (Katze). Kopf folgt der Bewegung. Bewegung beginnt im Becken und läuft Wirbel für Wirbel nach oben.
Schwerer: Knie leicht vom Boden anheben (Hover Position).
Dehnen
Hüftbeuger-Dehnung
Ein Bein nach vorn stellen, das hintere Bein nach hinten strecken, Hüfte nach vorn sinken lassen, Dehnung in der Hüftbeuge spüren.Einfacher: Hinteres Knie am Boden.Schwerer: Hinteres Knie in der Luft, Bein gestreckt.
Fazit
Obwohl leichte Abweichungen von der neutralen Position des Beckens normal sind, kann Bei Beschwerden eine Korrektur der Beckenstellung sinnvoll sein.
Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine medizinische Beratung. Umsetzung der Inhalte auf eigene Verantwortung.
Referenzen
1. Pierannunzii L. Pelvic posture and kinematics in femoroacetabular impingement: a systematic review. J Orthop Traumatol. 2017 Sep 1;18(3):187–96. https://doi.org/10.1007/s10195-016-0439-2
2. Patel RV, Han S, Lenherr C, Harris JD, Noble PC. Pelvic Tilt and Range of Motion in Hips With Femoroacetabular Impingement Syndrome. JAAOS - Journal of the American Academy of Orthopaedic Surgeons. 2020 May 15;28(10):e427. https://doi.org/10.5435/JAAOS-D-19-00155
3. Crossley KM, Schache AG, Ozturk H, Lentzos J, Munanto M, Pandy MG. Pelvic and Hip Kinematics During Walking in People With Patellofemoral Joint Osteoarthritis Compared to Healthy Age-Matched Controls. Arthritis Care & Research. 2018;70(2):309–14. https://doi.org/10.1002/acr.23261
4. Król A, Polak M, Szczygieł E, Wójcik P, Gleb K. Relationship between mechanical factors and pelvic tilt in adults with and without low back pain. Journal of Back and Musculoskeletal Rehabilitation. 2017 Jul 1;30(4):699–705. https://doi.org/10.3233/BMR-140177
5. Kuwahara W, Kurumadani H, Tanaka N, Nakanishi K, Nakamura H, Ishii Y, et al. Correlation between spinal and pelvic movements during gait and aggravation of low back pain by gait loading in lumbar spinal stenosis patients. Journal of Orthopaedic Science. 2019 Mar 1;24(2):207–13. https://doi.org/10.1016/j.jos.2018.09.002
6. Christopher SM, Garcia AN, Snodgrass SJ, Cook C. Common musculoskeletal impairments in postpartum runners: an international Delphi study. Archives of Physiotherapy [Internet]. 2020 Oct 26 [cited 2025 Oct 24]; Available from: https://www.archivesofphysiotherapy.com/index.php/aop/article/view/2882https://doi.org/10.1186/s40945-020-00090-y
7. Herrington L. Assessment of the degree of pelvic tilt within a normal asymptomatic population. Man Ther. 2011 Dec;16(6):646–8. https://doi.org/10.1016/j.math.2011.04.006
8. Vialle R, Levassor N, Rillardon L, Templier A, Skalli W, Guigui P. Radiographic Analysis of the Sagittal Alignment and Balance of the Spine in Asymptomatic Subjects. JBJS. 2005 Feb;87(2):260. https://doi.org/10.2106/JBJS.D.02043
9. Savage TN, Saxby DJ, Pizzolato C, Diamond LE, Murphy NJ, Hall M, et al. Trunk, pelvis and lower limb walking biomechanics are similarly altered in those with femoroacetabular impingement syndrome regardless of cam morphology size. Gait & Posture. 2021 Jan 1;83:26–34. https://doi.org/10.1016/j.gaitpost.2020.10.002
10. Atkins PR, Fiorentino NM, Hartle JA, Aoki SK, Peters CL, Foreman KB, et al. In Vivo Pelvic and Hip Joint Kinematics in Patients With Cam Femoroacetabular Impingement Syndrome: A Dual Fluoroscopy Study. Journal of Orthopaedic Research. 2020;38(4):823–33. https://doi.org/10.1002/jor.24509
11. King E, Franklyn-Miller A, Richter C, O’Reilly E, Doolan M, Moran K, et al. Clinical and biomechanical outcomes of rehabilitation targeting intersegmental control in athletic groin pain: prospective cohort of 205 patients. Br J Sports Med. 2018 Aug 1;52(16):1054–62. https://doi.org/10.1136/bjsports-2016-097089
12. Falk Brekke A, Overgaard S, Hróbjartsson A, Holsgaard-Larsen A. Non-surgical interventions for excessive anterior pelvic tilt in symptomatic and non-symptomatic adults: a systematic review. EFORT Open Rev. 2020 Jan 29;5(1):37–45. https://doi.org/10.1302/2058-5241.5.190017
13. Wall PD, Dickenson EJ, Robinson D, Hughes I, Realpe A, Hobson R, et al. Personalised Hip Therapy: development of a non-operative protocol to treat femoroacetabular impingement syndrome in the FASHIoN randomised controlled trial. Br J Sports Med. 2016 Oct 1;50(19):1217–23. https://doi.org/10.1136/bjsports-2016-096368
14. Ng KCG, Lamontagne M, Jeffers JRT, Grammatopoulos G, Beaulé PE. Anatomic Predictors of Sagittal Hip and Pelvic Motions in Patients With a Cam Deformity. Am J Sports Med. 2018 May 1;46(6):1331–42. https://doi.org/10.1177/0363546518755150
15. Catelli DS, Kowalski E, Beaulé PE, Lamontagne M. Increased pelvic mobility and altered hip muscles contraction patterns: two-year follow-up cam-FAIS corrective surgery. J Hip Preserv Surg. 2019 Jul 1;6(2):140–8. https://doi.org/10.1093/jhps/hnz019
16. Böhm H, Hösl M, Döderlein L. Predictors for anterior pelvic tilt following surgical correction of flexed knee gait including patellar tendon shortening in children with cerebral palsy. Gait & Posture. 2017 May 1;54:8–14. https://doi.org/10.1016/j.gaitpost.2017.02.015
17. DeLuca PA, Õunpuu S, Davis RB, Walsh JHP. Effect of Hamstring and Psoas Lengthening on Pelvic Tilt in Patients with Spastic Diplegic Cerebral Palsy. Journal of Pediatric Orthopaedics. 1998 Dec;18(6):712.
18. Ludwig O, Fröhlich M, Schmitt E, Schumacher U. Therapy of poor posture in adolescents: Sensorimotor training increases the effectiveness of strength training to reduce increased anterior pelvic tilt. Cogent Medicine [Internet]. 636160608000000000 [cited 2025 Oct 24];3(1). Available from: https://www.sciencegate.app/document/10.1080/2331205x.2016.1262094https://doi.org/10.1080/2331205x.2016.1262094
