Muskelkraft ist die Grundlage für Selbstständigkeit und Lebensqualität – und sie lässt sich auch im hohen Alter trainieren. Mit einfachen Übungsideen für ein effektives Krafttraining zu Hause.
Der Verlust von Muskelkraft ist eine der auffälligsten und problematischsten Bedingungen in der älteren Bevölkerung. Etwa die Hälfte aller Frauen und jeder sechste Mann im Alter von über 65 Jahren ist von übermässigem Kraftschwund betroffen (1). Dies hat wichtige Auswirkungen auf die Selbstständigkeit sowie die Lebensqualität, nebst einer erhöhten Neigung zu Verletzungen und Erkrankungen (2).
Die Gründe sind multifaktoriell. Nebst hormonellen, neurologischen und inflammatorischen Prozessen spielen insbesondere die Ernährung und das Bewegungsverhalten eine kritische Rolle (3). Diese Faktoren führen dazu, dass ab etwa dem 50. Lebensjahr die Muskelmasse um 10 % pro Jahrzehnt abnimmt (4). Doch wir sind diesem Prozess nicht machtlos ausgeliefert. Das muskuloskelettale System besitzt eine bemerkenswerte Plastizität als Reaktion auf wiederholte Reize wie Krafttraining. Das bedeutet, dass sich das Gewebe an äussere Einflüsse anpassen und darauf reagieren kann, zum Beispiel durch eine Zunahme an Muskelkraft und -masse.
Krafttraining ist auch im Alter effektiv
Eine wegweisende Studie aus dem Jahr 2020 zeigte, dass die Fähigkeit, auf Krafttraining zu reagieren, bei jungen und älteren Erwachsenen vergleichbar ist (5). Neun untrainierte ältere (82 ± 7 Jahre) und neun untrainierte jüngere (22 ± 2 Jahren) Personen wurden vor und nach einem sechswöchigen Krafttraining der Beine auf ihre Muskelkraft sowie auf biologische Merkmale im Muskel untersucht, die wichtige Funktionen im Muskelwachstum und -stoffwechsel haben. Der Hauptbefund: Die Muskelkraft verbesserte sich durch Krafttraining bei den älteren Teilnehmenden in ähnlichem Ausmass wie bei den jüngeren! (Siehe Abbildung 1).
Abbildung 1. Kraftzuwachs nach einem sechswöchigen Training. Adaptiert aus Fritzen et al. (2020) (5).
Ein deutlicher Beweis dafür, dass Kraft auch im hohen Alter trainiert werden kann. In der Abbildung ist zudem ersichtlich, dass 82-jährige Personen nach dem Training etwa dieselbe Kraft erreicht haben wie 22-jährige untrainierte Personen! Auch wurde kein Unterschied der biologischen Merkmale im Muskel zwischen älteren und jungen Personen als Reaktion auf das Training festgestellt. Dies zeigt, dass das Muskelwachstumspotenzial auch im Alter erhalten bleibt. Diese Studie steht exemplarisch neben vielen weiteren. Eine Zusammenfassung von 22 Studien zum Thema Krafttraining im Alter bestätigt, dass sowohl Kraft- als auch Muskelaufbau selbst im hohen Alter möglich sind (6). Bleib also stark – starte jetzt, denn es ist nie zu spät!
Vorschlag Krafttraining
Instruktionen: Wähle für jede der Hauptmuskelgruppen (Beine, Rumpf, Rücken, Brust: siehe Tabelle unten) eine Übung aus und führe 3 bis 5 Sätze aus. Ein Satz besteht aus 3 bis 15 Wiederholungen. Wähle eine Intensität, die auf einer Skala von 0 bis 10 einer 8 bis 10 entspricht. Die Intensität kannst du variieren, indem du die Hebelverhältnisse anpasst, ein Widerstandsband nutzt oder die Übung ein- oder zweibeinig ausführst.
Mit dem Aufwärmen dauert ein Training 30 bis 60 Minuten. Bereits zwei Trainingseinheiten pro Woche können nach etwa zwei Monaten spürbare Verbesserungen der Muskelkraft bewirken.
Falls du eine individuelle Fitnessberatung wünschst, kannst du mich gerne kontaktieren: info@bewegung-ist-medizin.ch
Viel Spass beim Trainieren!
Beine |
Squats (Kniebeugen): Stelle die Füsse schulterbreit auf, beuge die Knie und senke die Hüften nach hinten, als würdest du dich hinsetzen. Kehre dann in die aufrechte Position zurück. |
Lunges (Ausfallschritte): Mache einen grossen Schritt nach vorn und beuge das hintere Knie Richtung Boden, während das vordere Knie über dem Knöchel bleibt. Drücke dich dann in die Ausgangsposition zurück und wechsle das Bein. |
Glute Bridges (Brücke): Lege dich auf den Rücken, beuge die Knie und stelle die Füsse auf den Boden. Hebe das Becken an, indem du die Gesässmuskulatur anspannst. |
Rumpf |
Plank (Unterarmstütz): Stütze dich auf die Unterarme und Zehen, halte den Körper in einer geraden Linie und spanne den Rumpf an, ohne die Hüfte absinken zu lassen. |
Bicycle Crunches (Fahrrad-Crunches): Lege dich auf den Rücken, hebe die Beine an und führe abwechselnd das rechte Knie zum linken Ellenbogen und umgekehrt, als würdest du in der Luft radfahren. |
Sit-ups (Rumpfbeugen): Lege dich auf den Rücken, beuge die Knie und stelle die Füsse flach auf den Boden. Hebe den Oberkörper an, indem du die Bauchmuskulatur anspannst, und senke ihn kontrolliert wieder ab. |
Rücken |
Dumbbell Plank Row (Unterarmstütz mit Hantelzug): Gehe in eine Plank-Position, mit je einer Hantel in jeder Hand. Ziehe abwechselnd eine Hantel in Richtung Hüfte, während du den Körper stabil hältst. |
Wall Elbow Push (Ellenbogen-Push an der Wand): Stelle dich mit dem Rücken zur Wand und drücke die Ellenbogen gegen die Wand, um Schultern und oberen Rücken zu aktivieren. |
Pull-up (Klimmzüge): Greife eine Klimmzugstange mit den Händen schulterbreit, ziehe den Körper nach oben, bis das Kinn über der Stange ist, und senke dich dann langsam zurück. Einfachere Variante: Nutze ein Widerstandsband, das du an der Stange befestigst und unter deine Füsse oder Knie legst, um dich beim Hochziehen zu unterstützen. |
Brust |
Push-ups (Liegestütze): Gehe in eine Liegestützposition und senke den Körper kontrolliert, indem du die Arme beugst. Drücke dich nach oben, bis die Arme gestreckt sind. |
Incline Push-ups (Schrägliegestütze): Stütze die Hände auf eine erhöhte Fläche wie einen Stuhl und führe Liegestütze aus. Diese Variante ist ideal für Anfängerinnen und Anfänger oder zur gezielten Belastung der unteren Brustmuskulatur. |
Decline Push-ups (Abwärts-Liegestütze): Stelle die Füsse auf eine Erhöhung und führe Liegestütze aus, wodurch die Schultern und die obere Brust stärker beansprucht werden. |
Bemerkungen
Die ausgewählten Übungen sind mehrgelenkig und fördern das Muskelwachstum, da sie grössere Muskelgruppen einbeziehen und die stabilisierende Rumpfmuskulatur aktivieren, was nachweislich eine gute Haltung fördert (7).
Wende die Trainingsprinzipien an. Trainiere intensiv genug, um Anpassungen zu fördern, und variiere die Trainingsbelastung regelmässig, um Gewöhnungseffekte zu vermeiden.
Ernähre dich proteinreich. Ältere Erwachsene, die mehr Protein zu sich nehmen, können ihre Muskelmasse und Kraft besser erhalten (8,9).
Referenzen